Heimatverein Pliening e.V.
  Gelting - Landsham - Ottersberg - Pliening

Ex Voto

(Wegen eines Versprechens)

Geschichte und Geschichten aus der Heimat von Willi Kneißl

Nur ein dunkler Fleck an der Wand gleich neben dem Choraltar der Marienkirche zu Gelting erinnerte uns Kirchgänger jahrelang an ein altehrwürdiges Votivbild, das hier seinen Vorzeigeplatz hatte. Einst ist es hart auf das Steinpflaster geprallt. Der kostbare Barockrahmen wurde ernstlich beschädigt. Jetzt ist es wieder da, der Rahmen repariert und neu vergoldet, das Ölbild sorgfältig gereinigt. Eine großzügige Spende hat es möglich gemacht. Ein zweites Bild ist unversehrt geblieben. Es gehört unmittelbar zu demselben Votationsanlass und benötigt deshalb keinerlei Inschrift.


Das erste Bild
Beim ersten flüchtigen Betrachten sucht man beim Lesen der Zuschrift zunächst nach einer geläufigen Lokalisation. Aber die gesamte Szenerie des Votivbildes weist keinerlei lokalen Bezug zu Gelting auf. Wahrscheinlich hat sich der Maler nie in Gelting aufgehalten. Ihm ist nur die spirituelle Intention des Bildes bekannt. So bleibt ihm, um dem Malauftrag optisch Genüge zu leisten, nur die Zuflucht zum Klischee, zu allgemein gültigen Gestaltungselementen. Wir bemerken eine erdbraune Talsenke mit beidseitig ansteigenden felsenartigen Erhöhungen, bewachsen mit unklarem Pflanzengewirr. Der Hintergrund verharrt ohne jegliche differenzierende Kontur, eine leicht gewellte, weiße, leere Fläche. Es könnte sich um eine kahle, völlig baumlose nach rechts leicht ansteigende Winterlandschaft handeln. Der Horizont ist eintönig, bläulich blass getönt.

Ein bäuerliches Paar kniet im Feiertagsgewand im Betstuhl mit gefalteten Händen vor einem auf dem Felsen hoch aufgerichteten Feldkreuz. Das jugendliche Gesicht des Bauern ist sehr liebevoll, erstaunlich realistisch, schier porträtierend gezeichnet. Das rote Gilet und der dunkle Mantel sind üppig mit silbernen Knöpfen besetzt. Bundhose und Schnallenschuhe ergänzen die hier übliche bäuerliche Tracht. Befremdlich wirkt freilich, dass der Bauer einen „Ranzen“, einen Reisesack, auf dem Rücken trägt. Droht ihm ein erzwungener Abschied, den die wundertätige Gnadenmutter von Gelting gnädig abwenden soll? Die Bäuerin ist gänzlich in die dunkle, schmucklose Tracht gehüllt. Eine übergroße, ebenso dunkle Haube bedeckt das Haar. Ein Rosenkranz ist um die Finger einer dilettantisch geformten Hand gelegt. Die Darstellung des Betstuhls konnte perspektivisch nicht gemeistert werden. Ein einfacher Malermeister ist hier am Werk, der nie eine der damals in Städten und Märkten örtlich schon vorhandenen Zeichenschulen besuchen durfte. Von rechts kommend schicken sich 5 Pferde und von links her eine Herde mit Rindern an, sich vor Maria zu versammeln. Auch sie sind in den gläubigen Anruf an die himmlische Fürsprecherin eingeschlossen. Die Tiere recken ihre Köpfe in die Höhe, als bemerkten sie erstaunt die Erscheinung der Muttergottes am Himmel. Dort schwebt die Gnadenmutter thronend auf einer Wolke, begleitet von zwei heiligen Männern, Bischof Benno und Abt Leonhard.

Die schriftliche Information ohne genaueren Votationsanlass

Die ehrsamen Gemeinden Gelting, Unterspann und Ottersberg verlobten sich zur hiesigen wunderthätigen Gnaden Mutter bei großer Not und haben gleich Hilfe erhalten. Anno 1796.

Dieser begleitende Text informiert uns über die Votanten, drei der hiesigen vier Dorfgemeinden. Mit dem Anruf an die wundertätige Gnadenmutter von Gelting versprechen sie im feierlichen Gelübde, schöne Votivbilder malen zu lassen, falls die überirdische Macht zu Hilfe käme in ihrer Not. Und sogleich, in kürzester Zeit, habe sich die ersehnte Hilfe auch eingestellt. Ein eindeutig definierter Votationsanlass wird uns nur bildlich mitgeteilt. Es geht um die Unversehrtheit des „lieben Viehs“, Grundvoraussetzung der wirtschaftlichen Existenz des Landvolks. Es geht außerdem um eine gewaltsam drohende Aushebung von gesunden jungen Männern durch eine fremde Macht zum erniedrigenden und oft tödlichen Heeresdienst. Leider ist das einst vorhandene Mirakelbüchlein, wo die Wundertaten der Gnadenmutter von Gelting genau fixiert waren, verschollen. Aber wir wissen aus verschiedenen anderen Aufzeichnungen, dass nach Gelting um den Segen der Gottesmutter sogar gewallfahrtet wurde. Das zweite Votivbild legt davon eindeutig Zeugnis ab. Dennoch musste der Maler auf eine präzise Darstellung des örtlichen Gnadenbildes verzichten. Stattdessen musste er auf einen Marientypus zurückgreifen, wie er in vielen Votivbildern unserer oberbayerischen Heimat alltäglich ist (z. B. Aufkirchen bei Starnberg 1753, Andechs 1791).

Maria, Benno und Leonhard werden um Hilfe angefleht
Maria mit Kind, beide mit wertvollen Rokokotiaren bekrönt, erscheint auf einem Wolkenbausch in einer lichten, von abgehenden Strahlen umsäumten, kreisrunden Himmelslücke vor dem Dunkelhimmel. Die überirdische Sphäre tritt so eindrucksvoll vor den Betrachter, ein Durchbruch aus dem Irdischen. In der rechten Hand führt sie ein Lilienzepter, dessen Blumen und Laub aber bis auf einen kümmerlichen Rest alle abgefallen sind. In Demut verkleinert sie so ihren Titel als Himmelskönigin. Den Rosenkranz will sie nachdrücklich vorweisen. Sie trägt ihn in der linken Hand und hat ihn um den rechten Arm gewunden. Ein weit gespannter, in Gold verbrämter Mantel legt sich um das dunkle Kleid. Die ausgreifende Macht der göttlichen Fürsprecherin soll so dokumentiert sein. Das Kleid wird durch eine herzförmige, weiße Fibel zusammengehalten. Eine höfische, graue Perücke rahmt das Gesicht ein. Die Mondsichel zu Füßen der Madonna will an die Aussage der Geheimen Offenbarung Joh. 12,1 erinnern: „(…) eine Frau mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen“ ein Typus, ein Urbild des Christentums. Dreifache Gnadenstrahlen leiten von der Gottesmutter zu den Menschen, zu den Pferden und zu den Rindern. Dorthin hat sie ihre Hilfe versandt. Der heilige Leonhard, Patron des „lieben Viehs“, kann auf einem Votivbild des Landvolks nicht fehlen. Wie überall ist er in faltenreicher, weitärmeliger, ungegürteter, schwarzer Flocke dargestellt. Seine persönlichen Attribute sind Abtsstab und Kette. Die Kettenenden sind mit Fesseln in der Form von massiven Eisenringen versehen.

Zur Rechten der Gnadenmutter erscheint der heilige Benno. Man erkennt ihn an der Pontifikalkleidung, an Mitra und Bischofsstab, den er in der Hand hält. In der anderen Hand trägt er das Evangelienbuch, worauf ein Schlüsselbund und ein Fisch liegen, seine untrüglichen Kennzeichen. Von 1066 bis 1106 ist er Bischof von Meißen gewesen, 1523 ist er kanonisiert worden. Als seine Reliquien im Jahre 1580 in der Frauenkirche zu München niedergelegt wurden, erhob sich hier eine blühende Verehrung durch die Münchner Bürgerschaft. Der hl. Benno avancierte zum Stadtpatron. Noch heute feiern traditionsbewusste Münchner an seinem Namenstag (16. Juni) das Bennofest.


Das zweite Bild: Der Bittgang
Das zweite Bild wirkt wesentlich aussagekräftiger. Man konnte hier auf eine weitere schriftliche Information verzichten. Wiederum sehen wir eine fiktive Landschaft, links gesäumt von einem unmittelbar benachbarten Gebirge. Vieh (Pferde, Rinder und Schafe) lagert hinter Gattern und Zäunen. Ein frommer Wallfahrtszug wandelt betend über einen steinigen Weg. Eine Wegmarke meldet die Zahl 41. Ein Fahnenträger führt den Zug an. Wahrscheinlich ist das Christussymbol IHS eingestickt. Die Kinderschar, lauter Buben, wird von zwei Fähnlein mit weißem Kreuz auf rotem Grund begleitet. Dann folgt der Mesner im Ministrantengewand mit dem Vortragekreuz und der Priester. Die Männer und Frauen haben ihre Trachten und Feiertagsgewänder angelegt. Bei den Männern variieren die Mäntel lediglich in den Farben, dunkelblau, grau und braun. Drei Herren stechen durch ihre Größe und körperliche Mächtigkeit hervor. Die Frauen ordnen sich nicht alle der üblichen Tracht unter. Eine augenfällige Ausnahme macht die Dame an der Spitze. Sie trägt einen knöchellangen Rock mit grauer Schürze und braunem Oberteil. Sie wird von einer Dienerin mit weißem Fürtuch begleitet, die sich ihr zuwendet. Zudem verzichtet sie auf eine Haube. Zweifellos spielt sie in der Gemeinde eine herausragende Rolle. Zwei weitere Dienstmägde haben sich in die Menge gemischt. Auch sie geben sich durch weiße Schürzen zu erkennen. Den Schluss des Zuges bilden zwei gehbehinderte Frauen, die liebevoll betreut werden. Am Himmel erscheinen drei überirdische Personen. In der Mitte thront wiederum die Gnadenmutter. Zu ihrer Linken erkennt man den hl. Stephanus an den Steinen und der Märtyrerpalme. Im nahen Landsham wird er besonders verehrt und angerufen als Patron für die Pferde. Auf der anderen Seite schwebt der heilige Emmeram. Die Leiter, auf der er ausgestreckt zu Kleinhelfendorf gemartert wurde, liegt zu seinen Füßen. Die Märtyrerpalme schwenkt er stolz in die Lüfte. Die Tiara hat er sich dagegen demütig zu Füßen gelegt. In Aschheim wird seiner besonders gedacht. Im frühen Mittelalter war dort für 40 Tage seine Grablege, bevor sein Leichnam nach Regensburg in die Georgskirche (heute St. Emmeram) verbracht wurde. Das Ziel des Bittganges bleibt auf dem Bild unbeschrieben. Der Betrachter bemerkt jedoch unschwer, dass hier eine sekundäre Einlösung des Gelöbnisses stattfindet. Zur Stiftung der schönen Votivtafeln gehört die gemeinsame Bittwallfahrt zur Gnadenmutter von Gelting. Das zweite Bild will uns also die zum Bittgelöbnis gehörende Andachtsübung vorweisen. Um dem unmittelbaren Votationsanlass der Geltinger Votivtafeln endlich näherzukommen, ist wohl ein Blick in die allgemeine Historie Mitteleuropas, auf die Vorkommnisse im Jahre 1796 unerlässlich. Es waren Kriegszeiten, die wie üblich auf dem Rücken der einfachen Leute lasteten.

Unfriedliche Zeiten: Der 1.Koalitionskrieg (1793 – 1797)
In Frankreich herrschte seit 1789 Revolution, in der sich die jeweiligen gegnerischen Protagonisten erbarmungslos beseitigten. Am 21. Januar 1793 war der französische König Ludwig XVI. auf der Place de la Concorde zur Guillotine geschleift und hingerichtet worden. Am 16. Oktober erlitt die Königin Marie Antoinette das gleiche Schicksal. Ein Sturm der Entrüstung fegte über ganz Europa. Der französische Nationalkonvent hatte zudem 1793 den versierten Kriegsmann Lazare Carnot zum Leiter des französischen Kriegswesens ernannt. Ihm gelang der Erlass der „levee en masse“ (massenhafte Aushebung), womit er die Einberufung zur Armee gesetzlich erzwingen konnte, eine erste Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht (bahnbrechend für fast alle neueren europä-ischen Heeresverfassungen). Carnot konnte so die Truppenstärke der französischen Armee mehr als verdoppeln auf 1,5 Mill. Mann. Aufstände innerhalb des Landes und die Niederwerfung äußerer Feinde sollten durch dieses Volksheer möglich werden. Die europäischen Fürstenhäuser taten sich erschrocken zusammen zur Koalition gegen Frankreich. Anno 1796 herrschte Krieg, der so genannte 1. Koalitionskrieg, zwischen Frankreich und mehreren alliierten europäischen Mächten. Der unmittelbare Votationsanlass: Die Franzosen vor München Im Frühjahr 1796 befahl das fünfköpfige Direktorium von Paris einen konzentrischen Vorstoß der Revolutionsheere gegen das mit Baiern verbundene Österreich. Der Befehlshaber der österreichischen Reichsarmee am Rhein, Erzherzog Karl, musste nach Anfangserfolgen vor dem französischen General Jourdan zurückweichen. Der Franzose rückte schier kampflos über Franken bis in die Oberpfalz vor. Am Freitag 24. Juni, Johannitag, überschritt General Moreau mit einer Armee von 78.000 Mann den Rhein bei Kehl. Die schwachen schwäbischen Kreistruppen wurden überrannt, Baden und Württemberg besetzt. Von Westen und Südwesten drangen die Franzosen nun in das von Österreich schwach verteidigte Kurbaiern ein. Am Donnerstag 28. Juli begann in drei Münchner Kirchen das 12-stündige Gebet zur Abwehr des Feindes. Am darauffolgenden Samstag wurde bekannt, dass in den Dörfern östlich von München (z. B. Daglfing) eine höchst ansteckende Viehseuche ausgebrochen war. Das kranke Vieh wurde ausgehauen. Das Fleisch wurde von Bewohnern der Vorstädte heimlich und trotz strengsten Verbotes in die Stadt geschmuggelt. Der Keferloher Viehmarkt, sonst für seinen überaus starken Viehauftrieb berühmt, wurde von der Landesregierung abgesagt. In der Residenz wurde gepackt. Große Wägen wurden mit wertvollen Gütern (Kunstsachen, Hofsachen, Silberbesteck, Archivalien) beladen, auch Isarflöße werden eingesetzt. Der hier amtierende Kurfürst Karl Theodor verließ fluchtartig mit dem Hofstaat seine Residenzstadt und floh zunächst in das damals preußische Amberg und bald weiter nach Sachsen. Im Schloss Pilnitz wird er residieren. In München hinterließ er einen Regentschaftsrat mit weitgehenden Vollmachten. Das französische Revolutionsheer traf am 1. August 1796 am westlichen Stadtrand Münchens ein und zog in elenden Aufzügen um die Stadt herum. Es muss ein „illustrer“ Zug gewesen sein. Ein Augenzeuge, Professor Lorenz Westenrieder, schreibt von zahllosen Wägen, von Bauern der Umgebung gefahren, besetzt mit Weibern, Kindern und Schoßhunden. Aber auch „viele Stücke“, schwere Geschütze, zogen an der Stadt vorbei. Den ganzen Vormittag dauerte dieses bedenkliche, unheilverkündende Wandern. Für den gleichen Tag aber hat der Geistliche Rat „eine Prozession mit Umtragung der Büste des Stadt-und Landespatrons St. Benno um Befreiung von der Viehseuche und Abwendung der Kriegsgefahr“ erlaubt. Als die französische Heeresmacht die Zufahrten und Tore zur Stadt verschlossen und verrammelt vorfand, ergoss sie sich nun in die umliegenden schutzlos daliegenden Dörfer. Das regierende Direktorium in Paris hatte keinerlei logistische Vorsorge für seine Soldaten in Baiern getroffen. So war die Soldateska auf sich allein gestellt, musste sich selbst versorgen und nutzte dies auf ihre Weise. Die Franzosen hausten fürchterlich. Pferde und Rinder wurden beschlagnahmt und weggetrieben. Kleinvieh wurde weggenommen und an Ort und Stelle geschlachtet. Räuberische Erpressung war an der Tagesordnung. Küchen und Keller wurden ausgeräumt. Mutwillige Brandstiftung war keine Seltenheit. Das größte Entsetzen: Jungen, kräftigen Männern wurde der Strick um den Hals gelegt. Sie wurden gewaltsam weggeführt, um sie als Hilfskräfte der Armee Moreaus auszuliefern. Eine Votivtafel in der Kirche Siegertsbrunn von 1796 stellt diese letzte Geißel feindlicher Niedertracht dramatisch dar. „Levee en masse“ ist so skrupellos auf besetztes Ausland transferiert worden.

Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen/Ilm bringt keine Hilfe
Auch die Bevölkerung Münchens litt zunehmend unter der Belagerung. Ein Augenzeuge berichtet: „Die Passage und Zufuhr von 3 straßen zum Isarthor ist gespert, der rote Turm ist verramelt, so daß niemand hinaus noch herein passieren kann, wodurch die Lebensmittel vermindert und entsetzlich theuer geworden.“ Die Verantwortlichen mussten tätig werden. Nach langem Herumirren von berittenen Boten und Kurieren machte man endlich das Hauptquartier des Obergenerals Jean Victor Moreau beim Postwirt Anton Pachmaier in Pfaffenhofen an der Ilm aus. Am 7. September 1796 verhandelten Delegierte der baierischen Landstände einen ganzen Tag lang mit dem Franzosen um einen Waffenstillstand. Die Bedingungen waren unerfüllbar: 10 Millionen Franc, wertvolle Gemälde aus den Galerien der Städte, ungeheure Natural-Kontributionen (Vieh, Fourage, Nahrungsmittel), Aushebung tauglicher Männer, freie Bewegung der französischen Armee im gesamten Kurbaiern, Abzug der baierischen Einheiten von der Reichsarmee unter österreichischem Befehl. Als einzige Gegenleistung sollte die Stadt München vor jeglichem kriegerischen Zugriff verschont bleiben. Das bodenlose Elend auf dem flachen Land vor München ging weiter, da diese äußerst harten Bedingungen nicht annähernd erfüllbar waren.

Eine plötzliche Wende
Am Montag, den 12. September 1796 waren in aller Frühe alle Franzosen verschwunden. Den armen Leuten in den Dörfern um München muss das plötzliche Abziehen der enthemmten Soldateska wie die schnelle Hilfe einer überirdischen Kraft erschienen sein. „Haben gleich Hilfe erhalten“, ließ man deshalb voll Dankbarkeit auf der Geltinger Votivtafel vermerken. Was war geschehen? In der Oberpfalz war es zu einer gänzlich unverhofften Wende gekommen. Erzherzog Karl von Österreich, der Bruder des amtierenden Kaisers Franz II., führte seine Regimenter in der Nähe von Amberg gegen die Franzosen, die unter der Führung von General Jourdan gegen ihn antraten, und errang überraschend entscheidende Vorteile. Er verfolgte die fliehenden Verlierer, bezwang sie nochmals in der Nähe von Würzburg und konnte sie schließlich über den Rhein zurücktreiben. Dadurch war auch die Stellung Moreaus in Kurbaiern unhaltbar geworden. Es fehlte seiner Armee plötzlich die abdeckende Nordflanke gegen die österreichischen/baierischen Einheiten. In aller Hast und Eile musste er seine Leute zusammenrufen und sich kampflos rasch westwärts über den Rhein absetzen. Auf der Flucht über die Passwege im Schwarzwald wurden seinen Regimentern noch schwere Verluste zugefügt.

Benefiziat Augustin Spielmann
Augustin Spielmann ist 1747 in München geboren. Zeit seines Lebens hat er eine enge Beziehung zu seiner Heimatstadt gepflegt. 1777 ist er nach Gelting gekommen, hat bis zu seinem Tode 1813 hier priesterlich segensreich gewirkt. Bei der Ankunft des Kuraten Augustin Spielmann war das hölzerne Pfründegebäude sehr heruntergekommen. Zunächst kam es nur zu einer notdürftigen Reparatur. Erst 1780 setzte Spielmann einen teilweisen Neubau durch. Das Wohnhaus wurde bis zum Obergaden aufgemauert. Die Gemeinden waren ihm in vielen Dingen behilflich. Man führte ihm kostenlos Bauhölzer, Sand und Steine zu. Sogar die Feldarbeit übernahmen die Ehalten der größeren Bauern während der Bauzeit. Ein untrügliches Zeichen von seltener Willkommenskultur für den neuen Seelsorger. Man weiß von Spielmann nicht nur, dass er in guten Sommern zweimal wöchentlich sein Reitpferd gesattelt hat und in seine Heimatstadt geritten ist, sondern auch, dass er sich in Winterszeiten gerne unter die hiesigen Eisstockschützen gemischt hat, ein volksnaher Geistlicher. 1794 gelang es Spielmann mit großer Mühe und unermüdlicher Zähigkeit, in Gelting eine beständige Volksschule zu gründen, die bis 1963 hier ihren Platz hatte. Nicht umsonst ist ihm eine ehrende Gedenktafel gewidmet worden. Wer ruhet hier. Ich sag es dir. Ein um die hießige Kirche, um die hießige Schule, ein um die hießige Gemeinde groß verdienter Mann, der hochwürdig und hochgelehrte Herr Augustin Spielmann. Er war geboren zu München, den 28ten August 1747. Er war hier ein eifriger Seelsorger durch 35 Jahre. Er starb mit jedermanns Bedauern den 18. März 1813 im 66. Jahr seines Alters. Herr gieb ihm dort nach dem Wort zu seinem Lohn die Himmelskron. In der großen Not und existentiellen Bedrohung des Sommers 1796 hat Benefiziat Augustin Spielmann, Kooperator Expositus in Gelting, drei Ortsgemeinden zu einem Gelübde versammelt, das zu den zwei unversehrt erhaltenen schönen Votivtafeln geführt hat. Die wundertätige Muttergottes von Gelting, die schon mehrfach geholfen hatte, sollte wiederum zu Hilfe gerufen werden. Neben dem hochverehrten Patron seiner Heimatstadt, dem hl. Benno, brachte der Priester auch die hll. Stephanus und Emmeram als mögliche Retter auf die Tafeln, deren Kirchen er auf dem Wege in seine Stadt oft besucht hatte. Mensch und Vieh in Gelting blieben unversehrt. Das Gelübde wurde eingelöst. Vielleicht auf seine Kosten hat Spielmann die beiden Votivtafeln durch kostbare barocke Rahmen schmücken lassen. Weinreben wachsen aus einer geschwungenen Vase mit drei Rosen und zieren den Rahmen, vielfältig verflochten, mit Weinlaub und Trauben.

Literatur: Braun, Joseph: Tracht und Attribute der Heiligen in der Deutschen Kunst
Kriss-Rettenbeck, Lenz: Ex Voto, Zeichen Bild und Abbild im christlichen Votivbrauchtum
Spindler, Max: Handbuch der bayerischen Geschichte Bd. II
Stahleder, Helmuth: Chronik der Stadt München, 1706 – 1818

Juni 2018 Willi Kneißl

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