Heimatverein Pliening e.V.
  Gelting - Landsham - Ottersberg - Pliening

Großfeuer in Pliening
am 22. Juni 1701

Geschichte und Geschichten aus der Heimat von Willi Kneißl

Schon das Frühjahr des Jahres 1701 hatte für das Kurfürstentum Bayern eine verhängnisvolle Entscheidung gebracht. Kurfürst Max II. Emanuel hatte sich nach langem Zögern am 9. März entschlossen, im Spanischen Erbfolgekrieg auf der Seite des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. (Bündnis von Versailles) und somit gegen Österreich in den Krieg zu ziehen. Er wird damit sein Volk geradewegs in die katastrophale Niederlage von Höchstädt (13. August 1704), in die Brutalitäten einer siegestrunkenen, fremden Soldateska und schließlich in das unmenschliche Gemetzel der Sendlinger Mordweihnacht (25. Dezember 1705) und in das Morden von Aidenbach (6. Januar 1706) führen.

Die Plieninger Bauersleute werden von diesen schicksalhaften deutsch-französischen Verein-barungen wohl kaum etwas erfahren haben. Aber der dörfliche Alltag wurde hier im Juni 1701 nicht weniger beeinträchtigt und mehrere Bauernfamilien wurden schwer getroffen. Gottlob blieb Pliening damals wenigstens vor dem Verlust von Menschenleben verschont.

Der Pflegverwalter Johann Sebastian Maißer von Schwaben, ein gewissenhafter Beamter, protokollierte die „Ansag“ von fünf Familienvätern und einem alleinstehenden Tagwerker genau. Und so erhalten wir einen recht guten Überblick über die Vorfälle an jenem 22. Juni 1701 in Pliening.

1510
Beim Doni
Kloster Rott am Inn

Der Zimmermann Josef Faltner besaß zusammen mit seiner Ehefrau Margarete seit 14 Jahren das Donigütl (heute Brunnenweg 3), eine Bausölde mit zusätzlichen 18 Bifang Ackerland, und war der Grundherrschaft des Klosters Rott am Inn untertan. Als gegen fünf Uhr nachmit-tags sich im Westen über Landsham ein drohendes Unwetter zusammengezogen hatte und die ersten Sturmböen in Bäume und Dächer fuhren, flüchtete er mit dem Eheweib und den vier kleinen Kindern in das ganz aus Holz aufgerichtete Wohnhaus, an das ein dunkler, enger Stall und ein niedriger Stadel angebaut waren. Plötzlich schlug ein „unverhoffter Donnerkeil“ durch das Dach und warf den Mann zu Boden. Er blieb bewusstlos liegen. Als er wieder zu sich kam, „ist schon das Feuer im Flez heruntergefallen“. Der Blitz hatte gezündet und das Strohdach samt Balkenwerk in Brand gesetzt. Der nach oben bis zum Dach offene Hausgang war bereits erfüllt von brennenden Dachteilen. „Andere zu Hilfe gekommene Leut“ versuch-ten zu retten, was noch zu erreichen war. Sie hatten bereits die Kinder und die Frau ins Freie geführt, ehe der Mann sich hinausschleppte. Dann konnten sie noch zwei Kleidertruhen in den sicheren Garten zerren. Schließlich haben sie noch das Bett „ausgebracht“. „Das übrige aber an Haus- und Kuchlgeschirr ist alles in Rauch aufgangen.“ Über das Vieh wurde kein Wort verloren. Ist die Kuh beim Dorfhirten auf der Weide und so in sicherer Obhut gewesen? Die Hühner sind davongelaufen.

Haus, Stall und Stadel mussten also neu aufgezimmert werden. Der Zimmermann Josef Faltner schätzte die Kosten dafür auf 200 Gulden. Einrichtung und Werkzeug konnten weitere 60 Gulden an Schaden ausmachen. Die Familie stand ohne Obdach und mittellos da. Der Mann bat das Gericht um die Ausstellung eines „Patents“. Darunter müssen wir uns den sogenannten, amtlichen Brandbrief vorstellen. Dieser Ausweis ermächtigte den armen Familienvater, auf dem Land, in Märkten und Städten an die Türen zu klopfen, und um eine kleine Beihilfe zum Wiederaufbau seiner „Heimat“ zu bitten. Der Zimmerer Josef Faltner hat sein Anwesen trotz des schweren Rückschlags für seine Familie erhalten können. 1726 wird er es seiner Tochter Maria übergeben. Der tüchtige Josef Bauer wird zu ihr einheiraten, und die folgenden Generationen dieser Familie werden bis 1905 auf dem Hause bleiben. 1932 wird das Ehepaar Georg und Therese Lohmaier hier aufziehen.

Beim Doni 1935

Auch der Nachbar Stephan Fastl gab als Brandgeschädigter und Rotter Grunduntertan seinen Bericht ab (heute Brunnenweg 2). Der Gewittersturm hatte Funken und brennende Strohbün-del auf das Dach seines Stadels geschleudert. Dieses fing sofort Feuer. Die beiden Gebäude waren ja nur durch das schmale Griesstraßl getrennt. Der Stadel brannte in kürzester Zeit bis zum Grund nieder. Die Ehehalten fanden keine Zeit mehr, zwei teure Wagenräder, sechs Drischeln (Dreschflegel) und zwei hölzerne Heugabeln aus den Flammen zu bergen. Der Fastl schätzte seinen Schaden auf 250 Gulden. Das Wohnhaus und die Stallungen blieben gottlob verschont. Vermutlich sind diese Gebäude des wirtschaftlich wesentlich besser gestellten Fastlbauern bereits mit Ziegeln eingedeckt gewesen. Auch die Rotter Fastlhube blieb also der Familie erhalten. Sie wurde in der folgenden Generation sogar noch gestärkt durch Zubaugründe aus anderen Anwesen.

Weiter östlich, schon jenseits des Viertelwassers, des träge dahinziehenden Dorfbaches, stand das „Koblhäusl“ der Witwe Christina Hintermayr beim Riedl (heute Geltinger Str. 23). Der Ehemann Kaspar hatte ihr das armselige Holzhäusl mit Wohnrecht des Klosters Rott hinter-lassen. Nach kurzer Zeit war der armen Witwe alles zu Asche geworden. Drei Truhen, ein Bett und eine Bettstatt waren verloren. Eine kupferne Pfanne, Hacken und Eisenkeile waren un-brauchbar geworden. Noch schlimmer traf es ihren „Herbergsmann“ Thomas Probst, der ein Kammerl im engen Koblhäusl gemietet hatte. „Ihm ist all sein Armutei verbrunnen“, notierte der Protokollist mit spürbarem Mitleid. Als Taglöhner bei den Bauern hatte sich der „ein-schichtige“ Mann durchs Leben geschlagen. Nun war ihm nur geblieben, was er am Leibe trug. Er bat „um ein Bettl-Patent auf etlich Monat“. Da das Betteln und Vagieren, das tatenlose Umherziehen, streng verboten und unnachsichtig verfolgt wurde, bedurfte es dazu einer behördlichen Erlaubnis, womit die unverschuldete Armut nachgewiesen war. So wird ver-ständlich, dass der Taglöhner Thomas Probst nur eine kurzfristige Bettelerlaubnis zu verlangen wagte.

Die Witwe Hintermayr hat ihr Häusl nicht mehr aufbauen können. Nach ihr wird das Ehepaar Hans und Maria Hintermayr als Besitzer des Riedlhäusls genannt. Der Kobl ist neu aufgerich-tet worden. Auch sie hatten jedoch kein Glück auf der Sölde. Sie starben kurz hintereinander und ließen das Töchterchen Apollonia als Vollwaise zurück. Nun griff der gelehrte und mild-tätige Abt Aemilian Oettlinger (1698 - 1726), ein Wasserburger Bäckersohn, damals 60-jährig und schon todkrank, ordnend ein. Das Kloster kümmerte sich rührend um die Zukunft des Kindes. Apollonia erhielt die Zieheltern Michael und Barbara Finauer. Diese durften nur bis zur Volljährigkeit des Kindes auf der Riedlsölde wirtschaften. Dann mussten sie sich um eine „andere Herberge“ umsehen. Apollonia konnte durch Heirat eine Existenz auf ihrer Heimat erlangen. So blieben ihr die ererbten Rechte erhalten.

Matthias Sellmair, Sellmairbauer von Pliening, hatte den schwersten Brandschaden zu bekla-gen. Der gesamte Sellmairhof, samt Troadkasten und sonstigen Nebengebäuden war abge-brannt. Vom nahen Riedlhäusl jenseits des Wurz- und Obstgartens waren die verderbenden Funken hereingeflogen. „Habe zwar die Betten und fünf Pfannen und ein weniges Gewand ausgebracht, den übrigen verbrunnenen Hausrat an Wagen, Artten (Eggen), Rossgeschirr, Truchen und anderes was bei solchem Gut vonnöten und dermallen verbrunnen um 300 Gul-den kaum hereinzuschaffen,“ gab der Bauer zu Protokoll. Auch er machte über das Vieh kei-nerlei Angaben. Zum Wiederaufbau sollten seiner Aussage nach 1000 Gulden kaum reichen. Nun bewirtschaftete der Sellmair damals einen sogenannten 1 ½ Hof mit 227 Tagwerk Grund. Das Kloster Rott hatte ihm vor Jahren das Leibrecht gewährt. Er stand gut da. Er konnte sei-ner Schwester Katharina als kommende Staudhamerbäuerin von Ottersberg eine großzügige Mitgift ausmachen. 1723 war er zusammen mit Wolf Fastl Dorfführer. Sicher hat er die schweren Brandschäden vom Jahre 1701 ohne fremde Hilfe verkraften können.

Balthasar Pöltl war Besitzer des Pfeiferanwesens (heute abgebrochen, Ecke Raiffeisen- Geltinger Straße). Er nannte sein Haus „Koblhäusl“ wie die Riedlin. Es ist ihm bis auf den Grund verbrannt. Außer dem Bett „hat er nichts ausgebracht“. Für den Neuaufbau benötigte er seiner Schätzung nach 150 Gulden und für die verbrannte Fahrnis weitere 60 Gulden. Trotz dieses Unglücks konnte sich der Pfeifergütler wieder emporarbeiten. 1721 konnte er nach An-gabe des Steuerbeamten 1 Kuh halten. Am 30. März 1729 übergab er das zum Kloster Rott grundbare Leerhäusl seinem Sohn Peter Pöltl.

Schließlich trat noch der Madlerbauer Balthasar Madler, alias Ostermayr, vor den Pflegsverwalter, um seine Brandschäden anzugeben. Nun lag sein Hof, die Madlerhube, dem Kloster Rott zugehörig, weitab an der Geltinger Straße in Sicherheit. Aber er besaß zubauweise das Pöschllehen (heute Raiffeisenstraße 5). Dieses Anwesen umfasste einst um die 40 Tagwerk Grund. Deshalb waren noch geräumige Baulichkeiten vorhanden. Hier stellte der Madler seine Wagen ab und lagerte Bretter, Läden und Zaunholz. Außerdem hatte er die Wohnung an einen Weber vermietet, der dort seinen Webstuhl aufgerichtet hatte und seiner Arbeit nachging. Auch hier zündete der Funkenflug, und der Großbrand äscherte alles ein. Der Weber konnte in der Eile gerade noch sein Bett in Sicherheit bringen. „Möchte ihm Madler an der Neuerbauuung 300 Gulden und dem Weber 100 Gulden Schaden getan haben,“ notierte man vor Gericht.

Von Löscharbeiten verlautet keine Silbe. Saß einmal der „rote Hahn“ auf dem Dach, gab es keine Hilfe mehr. Die Menschen waren froh, wenn die wenigen Münzen Bargeld, Kleidertruhe und Betten gerettet werden konnten.

Die Aussagen der Geschädigten ließ der Pflegverwalter sorgfältig kopieren und stellte die Schrift unverzüglich dem Hochw. Herrn Abt Aemilian in Rott am Inn zu. Die Bauern hofften, dass der Konvent „durch diese erheblichen Ursachen von der Bezahlung der Schuldigkeit eine Zeitlang nachsehe“. In den klösterlichen Schriften hat sich keine weitere Nachricht über das große Plieninger Brandunglück von 1701 erhalten. So erfahren wir auch nicht, wie den Bauern geholfen wurde. Aber ein „Nachlass der jährlichen Reichnisse“ an das Kloster ist dem beliebten und sozial denkenden Abt gewiss zuzutrauen.

Beim Betrachten alter Plieninger Ortspläne fällt auf, dass das Schmiedanwesen, unmittelbar dem Feuerherd beim Doni benachbart und in der vom Gewittersturm angefachten Feuer-schneise liegend, nicht als Brandfall gemeldet wurde. Es konnte nicht verschont geblieben sein. Ursache waren gewiss die grundherrschaftlichen Verhältnisse. Grundherr der Schmiedsölde war das Benefizium Gelting, wo der Benefiziat Andreas Seel damals Dienst tat, Landshuter Bürgersohn und ein grundgütiger Mann. Er hat sicher ein Nachsehen gehabt mit seinem Plieninger Grunduntertanen und Schmiedleuten Simon und Anna Strauß. Erließ er ihnen die Grundgült für ein Jahr? Wenig später raubte ihm der „Grüne Star“ das Augenlicht und er musste seinen Bischof um die Resignation bitten. Der Übergabevertrag an seinen Nachfolger des Jahres 1707 ist in den Briefprotokollen des Bay. Staatsarchivs erhalten und so lernen wir die wichtigeren Posten der Eigentumsverhältnisse eines einfachen Dorfgeistlichen jener Zeit kennen, der seinen Lebensunterhalt vor allem der Arbeit auf dem Kirchengütl ver-dankte:

3 Lehnsessel, 1 Bettstatt mit Bett zum zweimaligen Überziehen, 7 Kühe samt einem zweijäh-rigen Öchslein, 2 Rösser, 1 Metzen Saatweizen, 1. Metzen Korn, 1 Mutterschwein, 2 Fuder Gerstenstroh.

Willi Kneißl

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