Heimatverein Pliening e.V.
  Gelting - Landsham - Ottersberg - Pliening

Glockenbecherleute in Landsham

2.600 bis 2.200 v. Chr.

Geschichte und Geschichten aus der Heimat von Willi Kneißl

Am Nil herrschte (etwa 2.620 – 2.580 v. Chr.) der Pharao Cheops und ließ als persönliches Grabmal die „Große Pyramide“ mit ungeheurem Aufwand und hohem technischen Wissen und Können der Bauleute errichten. Für eben dieses Zeitalter liefert die Wissenschaft auch älteste Spuren und Relikte von Menschen bei uns.

Hockergräber
Abb. 1: Hockergrab samt Glockenbecher an der Schlosserstraße

Im Mai/Juni 2.011 untersuchte die archäologische Firma PLANAteam unter Leitung von Petra Haller das für den Logistikpark München-Ost vorgesehene Gelände nahe der Schlosserstraße in Landsham. Die Sensation für das Forscherteam war perfekt, als vier gut erhaltene Körpergräber freigelegt werden konnten, in denen die Toten in Hockerform bestattet waren. Dies ist die älteste bekannte Bestattungsform unserer Gegend und verweist auf das Neolithikum, die Jungsteinzeit (5.600 v. Chr.) und die frühe Bronzezeit (2.200 v. Chr.). Die Toten wurden als Hocker in geschlechtsspezifischer Haltung und Seitenlage beigesetzt: Weibliche Skelette nach rechts gewandte Extremitäten, männliche Tote Arme und Beine nach links ausgerichtet. Beide Ge-schlechter wurden mit dem Blick nach Osten, der aufgehenden Sonne entgegen, bestattet. Darunter war das Skelett einer Jugendlichen.

Glockenbecher

In einem der Gräber wurden die Fragmente eines Tongefäßes geborgen, das schon in situ einen flachen Standboden und ein S-förmiges Profil aufwies. Nach vorsichtigem Reinigen der Einzelteile erschienen Spuren von eingestempelten in waagrechten Zonen parallel laufenden, flächendeckenden Linienverzierungen. Beim weiteren Arbeiten mit Feinspachtel und Pinzette konnten außerdem mehrere Pfeilspitzen aus Silex (Feuerstein) aufgelesen werden. Die Fachleute hegten keinerlei Zweifel: Man war auf eine Begräbnisstätte aus der Zeit der Glockenbecherkultur gestoßen. So wird eine endneolithische (spätjungsteinzeitliche) Völkergruppe bezeichnet, die in Süd-, West- und Mitteleuropa (im Osten bis nach Ungarn) ab 2.600 v. Chr. auftritt und bis 2.200 v. Chr. zu beobachten ist. Ihre typische Keramik sind Töpfe in der Form von umgedrehten Glocken. Somit ist durch diesen Fund der älteste Nachweis für den Aufenthalt von Menschen um Landsham gegeben. Sie lebten vor ca. 4.500 Jahren.

„Ein reisig Volk von Kriegern“

Über zahlreiche europaweit aufgesammelte Funde ließ sich eine einigermaßen sichere Charakteristik dieser Menschen ausfindig machen: Sie sind aus der iberischen Halbinsel eingewandert und haben sich gewaltsam über ganz West- und Mitteleuropa bis nach England ausgebreitet. Dabei war ihnen die Erfindung von Pfeil und Bogen von größtem Nutzen. In vielen Gräbern sind neben steinernen Pfeilspitzen auch knöcherne oder tönerne Armschutzplatten gefunden worden, die eine Verletzung des Arms beim Pfeilschuss verhindern konnten. Seltener wurde den Toten ein Kupferdolch mit ins Hockergrab gelegt. Auf der ständigen Suche nach wertvollem hämmerbaren Silex waren die Menschen offenbar auf oberflächig anlagerndes Kupfererz gestoßen, das sie durch Hämmern zu Dolchen formten. Der Kupferguss war ihnen freilich noch unbekannt.

Hochmobile Kleingruppen

Mir ihren geringen Herden von Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen zogen die Glockenbecherleute in kleinen Gruppen durch die Lande, verbunden durch einen einfachen, lebenspraktisch ausgerichteten gemeinsamen Wortschatz, der vielleicht schon mit unausgebildeter Grammatik und Syntax ausgestattet war. Die allmähliche Herausbildung von minimallokalen Führungsschichten wird vermutet. Sie hausten in Zelten aus Leder und Fellen, immer auf der Suche nach begehrten Werkstoffen, die sie bearbeiteten und in den Handel brachten. Fundkonzentrationen treten nur inselartig, nie flächenmäßig auf. Haustypen fehlen ganz. Landsham ist eine Ausnahme. Hielt man sich hier über Jahre zur Aussaat und Ernte von Getreide auf und bestattete die Toten der Wandergemeinschaft?

Der Jäger von der Geltinger Au
Abb. 2: Moderabdrücke von Baumriesen

Im Dezember .2008 lag die Trasse der Flughafentangente Ost in der Geltinger Au ausgekoffert da. Bevor der freigelegte Lehmuntergrund mit Kies hinterfüllt wurde, konnte der Archäologie Gelegenheit geboten werden, die freie Fläche zu untersuchen. Dabei wurde ein Hockergrab aufgefunden. Das Skelett war in sitzender Haltung fast unversehrt. Der Schädel fehlte. Zu Füßen des Skeletts fand sich als Grabbeigabe ein Hirschgeweih. Beides wurde en bloc in das Landesamt für Denkmalpflege verbracht. Außerdem konnte eine scharfe Steinklinge geborgen werden, die fraglos einst in einem hölzernen Griff stak. Die Fachleute datierten den Fund in die Zeit der spätneolithischen Glockenbecherleute. Hatte hier eine durchziehende Jägergemeinschaft einen Toten zu beklagen?

Es muss ein ideales Jagdrevier gewesen sein, ein schütterer, lichter, unendlicher Laubwald. Im braunen Tegelgrund zeichneten sich die Moderabdrücke mehrerer mächtiger Baumriesen ab, die alle vom Wurzelstock aus exakt nach Südosten gefallen waren. Ein unvorstellbar verheerendes Unwetter muss sie alle zur gleichen Zeit entwurzelt haben.

Bilder: Willi Kneißl
Literatur: Propyläen Weltgeschichte, Bd. I, S. 253

Willi Kneißl

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