Heimatverein Pliening e.V.
  Gelting - Landsham - Ottersberg - Pliening

Lienhart Vinauer und seine Ehefrau Elisabeth Ulrichin 1538 bis 1569 Wirtsleute von Gelting

Geschichte und Geschichten aus der Heimat von Willi Kneißl

In der Vorhalle der Geltinger Marienkirche findet sich zur linken Seite ein bestens erhaltenes Epitaph (Grabmal mit Inschrift) in rotem Marmor. Schon beim flüchtigen Betrachten fällt auf, dass uns hier ein sehr bemerkenswertes Kunstwerk aus dem Zeitalter der Renaissance erhalten geblieben ist.

Es ist der rote Marmorstein des Wirtes Lienhart Vinauer und seiner Ehefrau Elisabeth Ulrichin von 1569. Die Inschrift lautet:

„Anno Dominy 1569 den 8. marzy starb der Erbar und Fürnem Lienhart Vinauer. Wirt zu Gelting. 15… den … starb die Erbar und tugendhafft Elysabeth ulrychin sein hausfrau deren Gott genad“.

Die Wirtsleute knien andächtig betend zu Füßen des Gekreuzigten. Der bärtige Mann mit Pagenfrisur hält den „Zehner“ in gefalteten Händen. Es ist der meist auf 10 Kugeln eingeschränkte Rosenkranz mit Quaste. Für eilige Beter ist diese verkürzte Gebetsform bald nach der Reformation üblich geworden. Der feierliche Rock mit weit ausgestellter Rückenpartie reicht als Stutzer nur wenig über die Hüfte und wird aufgeknöpft getragen. Die Beine stecken in einer Kniehose, wie sie seit der Renaissance in der wohlsituierten städtischen Bürgerschaft üblich geworden ist.

In amtlichen Listen aus dem Jahre 1538 wird uns Lienhart Vinauer als Wirt und Steuerzahler zu Gelting vorgestellt. Für Fahrnis, Leibgeding (Recht auf Besitz des Anwesens auf Lebenszeit) und einen eigenen Troadkasten werden 1 Pfund 6 Schilling und 12 Pf Steueranlage notiert. Für die Arbeitskraft des Wirtsknechts reicht er zudem 3 Schilling 12 Pfennig. Dieser Steuersatz spricht für sehr geordnete Verhältnisse eines zünftigen Dorfwirts.

Die Frau ist vollständig von einem reich und dicht gefalteten Plisseeumhang eingehüllt, der unter einem engen Halsband zusammengefasst wird und alles Figürliche verbirgt. Die enge, parallele Faltung dieses teuren Materials musste in jener Zeit am Webstuhl hergestellt werden, konnte nicht eingebügelt werden. Der Kragen wiederum reicht bis zum Mund. Statt des Kopftuches der Nonne verhüllt eine karge Witwenhaube demütig das Haar. Der trauernden Beterin steht selbstverständlich der vollständige Rosenkranz zu.

Den Hintergrund der Kreuzigungsszene bildet eine sauber gefugte Ziegelmauer, hinter der eine christliche Kirche mit orientalischer Kuppel erkennbar ist. Ein Kranz von Wölkchen mit Sonne und Mond umzieht den sterbenden Heiland, dessen Lendentuch noch ganz im spätgotischen Stil weit nach beiden Seiten ausschwingt.

Sogar Wappen der Wirtsleute sind eingemeißelt worden, der Anker für den Mann, das „W“ für die Wirtin. Den Anker kennen wir als altchristliches religiöses Glaubenssymbol der Hoffnung. Sollte die Wirtin mit dem verstärktem „W“ vielleicht gar andeuten wollen, dass ihre Familie Ulrich einer sich über Jahrzehnte erstreckenden Generation von Geltinger Wirten angehört. Zu verwegen wäre der Gedanke, dass schon Ulrich Raintpold, 1418 als erster Geltinger Wirt nachgewiesen, ihr entfernter Vorfahr gewesen ist.

Allein die Tatsache, dass die verwitwete Geltinger Wirtin 1569 nach dem Tode ihres Ehemannes einen derart aufwendigen Grabstein in Auftrag geben konnte, wie er sonst nur adeligen Familien möglich war, spricht für einen nachhaltigen Wohlstand der Wirtsleute. Freilich wissen wir exakt, dass die Wirtin sogleich nach dem Tod ihres Mannes ihre Rechte auf das Geltinger Wirtsanwesen veräußert hat. Offenbar waren ihr Nachkommen verwehrt geblieben. Im Scharwerksbuch des Jahres 1569 wird mit Wolf Ehmann bereits ein neuer Wirt notiert. Es fand sich niemand mehr, der die Inschrift am Grabstein ergänzen und den Sterbetag der alten Wirtin hätte einhauen lassen.

Der hervorragend gute Zustand des Epitaphs spricht dafür, dass es einst innerhalb der früheren gotischen Marienkirche an privilegierter Stelle aufgestellt war. Derartig hohe Privilegien gingen stets mit außerordentlich großzügigen Gaben an das Gotteshaus einher. Nun weiß man von zwei gefährlichen Kirchenbränden im 16. Jahrhundert. Einmal musste der gesamte Dachstuhl erneuert und erhöht werden. Hat Elisabeth Ulrichin bei der Finanzierung des kostspieligen Wiederaufbaus kräftig geholfen?

Im Jahre 1785, nach Erbauung unseres heutigen Gotteshauses, erhielt der kostbare Grabstein der Geltinger Wirtsfamilie Vinauer seinen ständigen Platz in der Vorhalle.

Willi Kneißl

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